Klick schlägt Inhalt

Es konnte sich lediglich noch um wenige Minuten handeln. Bei weit geöffnetem Fenster saß ich im April 2002 um 6.15 Uhr im Kinderzimmer unseres Hauses und wartete auf den entscheidenden Moment. Klapp! Pünktlich wie jeden Tag steckte der Zusteller die Märkische Oderzeitung in den blechernden Briefkasten meiner Ur-Oma im Nachbarhaus und wies seine Tätigkeit durch ein lautes Knallen der Briefkastenklappe nach.

Jetzt musste es schnell gehen. Während Ur-Oma noch die Nachtruhe genoss, hatte ich nur wenig Zeit, um meine selbst auferlegte Mission erfolgreich abzuschließen, wollte ich nicht den Bus am anderen Ende des Dorfes verpassen. Mit Messer und Grillzange im Schlepptau machte ich mich rüber, um an das begehrte Stück Papier zu gelangen.

Ich hatte inzwischen eine ausgeklügelte Taktik entwickelt, wie ich an die Zeitung gelangte ohne den Briefkasten auf dem offiziellen Weg öffnen zu müssen. Heute frage ich mich, warum ich Oma nicht einfach mal nach einem zusätzlichen Schlüssel gefragt habe. Vielleicht, weil ich die Zeitung nur dann benötigte, wenn wir, die C-Junioren des SV Titania Kruge, am vergangenen Wochenende erfolgreich waren und ich die Junioren-Ergebnisse am Donnerstag im Lokalteil für lesbar erachtete. Was zugegebenermaßen nicht all zu häufig vorkam.

Mit präzisen Handgriffen drückte ich das Blatt mit einem langen Messer an den Rand des Briefkastens, zog die Zeitung daran mit der Klinge hoch, um sie anschließend mit der Grillzange durch den Schlitz zu ziehen. Der Post-MacGyver hatte wieder zugeschlagen, jedoch noch nicht vollendet. Bevor ich den Kurzartikel mit nebenstehender Tabelle und Ergebnisübersicht aller Duelle ausschneiden konnte, galt es zunächst die Rückseite zu prüfen. Oma mochte es nicht, wenn sie aufgrund meiner Fussball-Macke auf den regionalen Polizeibericht verzichten musste. Fand sich auf der Rückseite „unwichtiges Zeug“ wieder, hatte ich grünes Licht und konnte den Schnipsel auf direktem Weg im Rucksack verstauen, um für die Besprechung während der Hofpause in der Schule gewappnet zu sein.

Die gute alte Zeit oder rückschrittliche Fussballromantik, darüber lässt sich sicher streiten. Ein jeder von uns nimmt, auch hinsichtlich des Amateurfussballs, gerne die Annehmlichkeiten der digitalen Welt in punkto Schnelligkeit und Verfügbarkeit entgegen. Dennoch scheint in der Berichterstattung im Laufe der vergangenen Jahre einiges auf der Strecke geblieben zu sein. Offen bleibt die Frage, nach dem warum?

Es liegt gute 10 Jahre zurück, da gestaltete sich die Nachbetrachtung eines Kreisliga-Spieltages im Männerbereich oftmals wie folgt: Teilweise veröffentlichten Heim- und Gastmannschaft einen kurzen Spielbericht aus ihrer Sicht, wobei speziell die eigene Homepage ein noch sehr gefragtes Medium war. Anschließend tauschte man sich in Foren über die durchaus unterschiedliche Betrachtung miteinander aus, um dann den finalen Artikel der örtlichen Presse, der gerne auch mal von Vereinsseite verfasst werden durfte, zu verlinken. Dieser setzte letztendlich den Strich unter das abgewickelte Fussball Wochenende der Amateure.

Sicherlich zeigen auch der zunehmende Verfall von Foren und Website, dass der Wind sich schlichtweg gedreht hat und die Zeit nun eine andere ist. Wo hingegen Foren und Internetseiten einfach von der Bildfläche verschwinden, haben die Presseberichte rund um den Amateurfussball weiterhin ihre Daseinsberechtigung. Und das ist gut so, jedoch lässt der Inhalt dabei vermehrt zu wünschen übrig.

Wie in jedem Unternehmen gelten auch für die Pressehäuser Schlagworte wie Gewinnmaximierung und Quote. Dabei haben die findigen Verantwortlichen mittlerweile den Trend der Digitalisierung erkannt und nutzen vorwiegend Online-Artikel, um die Vermarktung des eigenen Produktes voranzutreiben. Allerdings beinhalten diese weniger sportliches. Vielmehr setzt man auf die Karte der Sensationslust und versucht die stetige Neugier des Lesers in zählbaren Erfolg umzumünzen, in der Welt des Internets mittlerweile eine durchaus gebräuchliche Methode. Da müssen dann auch die Fussballinteressierten hin und wieder Abstriche machen, wenn man im Zeitungsbericht zwar erfährt, dass es die Rote Karte für einen entblößten Hintern gab, die Frage nach der Ursache für die anfällige Defensive aber wieder einmal offen bleibt.

In Zeiten, in denen eSport vermehrt die Teams auf dem Rasen schlägt und auch das fussballerische Ehrenamt über drastischen Personalschwund klagt, müssen sich es auch die Medien gefallen lassen, dass man es schlichtweg verpasst hat, die Attraktivität des Amateursports ins rechte Licht zu rücken. Jeder kennt und liebt sie, die Urgesteine, die Familien, die Anpacker der lokalen Sportstätten. Sie alle haben es verdient, dass ihre Leistungen kundgetan werden, um speziell der nachrückenden Generation zu veranschaulichen, welchen Stellenwert es hat, wenn man sich solchen Aufgaben hingibt. Stattdessen lockt die Lokalpresse mit Schlagzeilen wie „Warum kann Fortuna Britz kein Fair-Play?“, „Nächster Aussetzer von Fortuna Britz“ oder „Fortuna Britz nimmt Stellung zu Vandalismus und nacktem Hintern“. Die Sau durch das berühmte Dorf treiben und hoffen, dass sich ein jeder dafür interessiert. Inhalte unerwünscht.

Das man der Berichterstattung im Amateurfussball auch mit einer gekonnten Sichtweise begegnen kann, beweisen glücklicherweise auch im Jahr 2022 noch mehrere Personen. Mit Ingo Muhme alias Barnim Rasenballsport (https://barnimrasenballsport.com/) hat sich beispielsweise ein ehemaliger freier Mitarbeiter der Märkischen-Oderzeitung die Unterstützung des Amateursports auf die eigene Fahne geschrieben. Dabei wohnt er wöchentlich gezielten Partien bei und fertigt anschließend einen lesenswerten Spielbericht an, welcher zusätzlich von hochwertigen Bildern unterstützt wird. Und das Feedback zeigt, die Leserschaft hat Bock auf diese Form.

Und selbst wenn es sie gibt, die Leute, die einen Artikel mit Bildern als nicht mehr zeitgemäß bezeichnen, sollten auch diese Abnehmer eine Darstellungsform zur Verfügung gestellt bekommen, die Berichterstattung mit fachlichem Inhalt nicht ausschließt. Diese liefert zum Beispiel StrausbergTV (https://strausberg.tv/) mit seiner Video Serie „Sportlertreff Märkisch-Oderland“, welche auch auf dem sendereigenen Youtube-Kanal abrufbar ist. Eine großartige Staffel, die im wöchentlichen Rhythmus auch über die örtlichen Kreisligaspiele berichtet und diesen eine sehenswerte Plattform bietet.

Sie sind also offensichtlich noch da, die Leser und Zuschauer, denen es weniger um sensationelle Nebengeräusche als vielmehr um den Fussball geht. Und wer sich als Mitglied dieser Gruppe fühlt, sollte das auch regelmäßig äußern, um ihn zu bewahren, den allseits geliebten Amateurfussball mitsamt seiner Berichte.

Aber alles Ansichtssache.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert