Mitte November bei einem D-Jugend Meisterschaftsspiel irgendwo im fernen Brandenburg: Die Heimelf liegt zur Halbzeitpause gegen den offensichtlichen Favoriten mit 2:1 vorn. Ein Spieler nutzt die Unterbrechung, um sich bei seinem Trainer nach einem möglichen Einsatz zu erkundigen, schließlich liege man nun in Führung und der Übungsleiter könne doch sein Versprechen einlösen.
Der Coach vertröstet den Jungen, der zwar recht groß geraten ist, jedoch aufgrund seiner Fülle scheinbar einige Konditionsschwächen aufweist. Im Laufe des zweiten Spielabschnitts markieren die Gäste den verdienten Ausgleichstreffer und sind im weiteren Verlauf drauf und dran, das Spiel zu drehen, wobei allerdings zahlreiche Chancen vergeben werden.
Als die Gastgeber kurz vor Schluss einen Freistoß in aussichtsreicher Position zugesprochen bekommen, winkt der Trainer seinen Schützling, der bis dato keinerlei Spielzeit bekam, hektisch herbei und erläutert kurz „einfach kräftig auf’s Tor schießen, wie neulich im Training“. Gesagt, getan! Der Junge hämmert den Ball blindlinks auf das gegnerische Tor und erzielt mit einem straffen Schuss den viel umjubelten Führungstreffer. Die Freude darüber ist gerade erst abgeklungen, da winkt der Coach seinen Spieler erneut herbei. Doch anstatt ihm zum wohlmöglichen Siegtor zu gratulieren, wechselt er ihn prompt wieder aus und bringt einen athletischeren Spieler in die Begegnung. Scheinbar hat der Übungsleiter Bedenken, dass der Erfolg noch in Gefahr geraten könnte.
Letztendlich bringt das Team den Sieg über die Zeit und alle sind glücklich. Die Mannschaft freut sich über den Heimsieg. Der Coach lässt sich dafür feiern, dass er „den Sieg eingewechselt“ hat. Der Torschütze freut sich über seinen Treffer. Und ich verlasse kopfschüttelnd das Sportgelände … in der Gewissheit, dass hier und heute trotz der erlangten drei Punkte etwas entscheidendes auf der Strecke geblieben ist: das Erfüllen der eigentlichen Aufgabe im Jugendfussball!
Um das zu erkennen, genügt ein Blick in die Zukunft. Wenngleich der Siegtorschütze letztendlich einen großen Anteil am Gewinn hatte, war der Junge an diesem Tag kein Bestandteil der Mannschaft. Die fussballerische Kluft zwischen ihm und den anderen, vermeintlich besseren, Spielern wird nach diesem Spiel nicht kleiner, sondern eher weiter wachsen. Und auch den übrigen Kickern wurde etwas fundamentales nicht mit auf den Weg gegeben: Teamgeist und Gemeinschaft. Ein entscheidender Punkt wenn Vereine ausbildungs- und nicht erfolgsorientiert vorgehen.
Nun mag es sein, dass dieser Verein, der personell durchaus gut aufgestellt ist, nicht zwingend auf jeden Spieler angewiesen ist und es sich erlauben kann, dass Spieler schlichtweg durch das „Raster“ fallen. Das sieht bei kleineren Vereinen wie zum Beispiel dem unseren, wo man händeringend um Personal kämpft, jedoch weitaus anders aus und es bleibt zu hoffen, dass die Ausbildung der jungen Fussballer in anderen Mannschaften nicht genauso abläuft, denn unsere Junioren sind in Zeiten des demographischen Wandels unser höchstes Gut!
Schließlich resultiert die heutige Entwicklung im Amateurfussball (Auflösung von Mannschaften, zwangsweise Bildung von Spielgemeinschaften etc.) nicht einzig und allein daraus, dass die Anzahl an Fussballern urplötzlich gesunken ist. Viele Vereine haben es einfach auch versäumt, das Problem des fehlenden Nachwuchses frühzeitig zu erkennen und in Langzeitprojekte zu investieren. Hierbei sind vor allem Ressourcen wie Ambitionismus und Zeit gefragt.
Schauen wir aktuell auf unseren eigenen Verein erkennen wir, dass wir uns derzeit auf einem guten Weg befinden, wenngleich aufgrund von Personalnot in den einzelnen Jahrgängen stets eine Einstellung des Spielbetriebes droht. Dennoch verfügen wir mit Hans Mühlenhaupt momentan über einen hoch engagierten Trainer, der den Jugendfussball in unserem Verein auf ein neues Level gehoben hat. Mit Zuckerbrot und Peitsche, konstruktivem Training und unter Mithilfe seines Assistenten Thomas Groh sorgt er für eine stetige Weiterentwicklung seiner E-Junioren.
Zudem konnte man das regelmäßige Schnuppertraining unserer Bambinis aufrecht erhalten, in dem Spieler der Männermannschaft sich bereit erklärten, die Übungseinheiten zu übernehmen und den jüngsten Kickern die Freude dieses schönen Sports zu vermitteln während sie zeitgleich weiter an den eigenen Verein heran geführt werden.
Und genau darum geht es! Neben dem Kicken und dem Erzielen von Toren geht es auch um die Gemeinschaft, das Wir-Gefühl und den Zusammenhalt. Auch auf diesem Weg schafft man Nachhaltigkeit im Verein. Sicher wird es immer Spieler geben, die über Jahre trotz aller Bemühungen den Spaß am Fussball verlieren und andere Themen ins Visier nehmen. Doch der aktuelle Kader unserer Männermannschaft zeigt es und wird es auch in Zukunft zeigen, dass es sie gibt, die Spieler die Verbundenheit zum Verein herstellen und stolz sind für diesen aufzulaufen.
Wir freuen uns bereits jetzt, wenn die nächsten Jugendspieler nachrücken und ihre ersten Partien im Herrenbereich absolvieren, denn genau das sind die Momente für die sich der jahrelange Einsatz lohnt. Darum haben unsere Junioren auch noch deutlich mehr Beachtung verdient. Wir brauchen sie alle, jetzt und später, unabhängig von der Leistung. Und dieser Gedanke sollte bereits im frühesten Alter gefasst werden und niemand sollte auf der Ersatzbank versauern, denn die Jugend geht über alles.
Aber alles Ansichtssache.